Notleidende Kredite
Was ist ein notleidender Kredit?
Der bankspezifische Ausdruck „notleidender Kredit“ (auch „fauler Kredit“ oder NPL – Non-Performing Loan) bezeichnet ein Darlehen, dessen Rückzahlung mit mehr als 90 Tagen im Verzug ist. Ende 2017 verzeichneten die 125 von der EZB beaufsichtigten Banken in der Eurozone 813 Milliarden Euro an gefährdeten Krediten. Dies entspricht einer Brutto-NPL-Quote von 4,0 Prozent. Notleidende Kredite gelten aktuell als größte Gefährdung einer stabilen Finanzwirtschaft innerhalb der Eurozone.
Ablauf einer Kreditkündigung
Zunächst einmal muss die Bank die erste und zweite Mahnung aussprechen. Diese beinhalten sowohl die
- Höhe der offenen Zahlungen
- Die Zahlungsfrist
- Die Konsequenzen bei Nichtzahlung
Führte auch die zweite Mahnung nicht zum Erfolg, erhält der Schuldner nun die dritte Mahnung. In dieser wird zum einen eine letzte Zahlungsfrist gesetzt. Zum anderen erfolgt die Information über die bevorstehende Kündigung des Kredits und die Verwertung der vorhandenen Sicherheiten. In der Regel geht die dritte Mahnung mit verschiedenen Konsequenzen einher:
- Kündigung des Dispokredites
- Rückgabe von Lastschriften
- Einzug von MaestroCard und Kreditkarte
Führen auch diese Maßnahmen noch nicht zum Ausgleich der offenen Raten, wird das Darlehen fällig gestellt. Anders ausgedrückt: Es wird gekündigt. Für die Kreditkündigung müssen gemäß Paragraf 498 BGB allerdings einige Voraussetzungen gegeben sein:
- Es müssen mindestens zwei aufeinanderfolgende Raten ganz oder teilweise nicht gezahlt worden sein.
- Bei einem Darlehen mit einer Laufzeit von bis zu drei Jahren muss der Zahlungsrückstand mindestens zehn Prozent der Darlehenssumme ausmachen.
- Für Darlehen mit einer längeren Laufzeit gilt ein Zahlungsrückstand von mindestens fünf Prozent.
Die Fristsetzung für die Begleichung der offenen Schuld muss mindestens zwei Wochen betragen. Die Mitteilung der Gesamtfälligstelllung des Darlehns (Kündigung) muss diese Fristsetzung auch beinhalten.
Darüber hinaus sind die Banken gehalten, ein wiederholtes Gesprächsangebot zu unterbreiten. Das Gespräch soll darauf abzielen, für den Kreditnehmer eine Lösung zu finden, die eine Kündigung des Darlehens verhindert, beispielsweise eine Laufzeitverlängerung zur Senkung der Raten.
Die Restschuld
Wurde der Kredit fällig gestellt, fallen Kosten an. Diese belaufen sich nicht nur auf die Höhe der Restschuld und offener Zinszahlungen. Die Bank kann darüber hinaus auch noch Strafzinsen in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz verlangen. Dabei handelt es sich um den Zinssatz, den die Europäische Zentralbank den Kreditinstituten für deren Refinanzierung in Rechnung stellt.
Abweichend kann auch ein Strafzins berechnet werden, der über oder unter fünf Prozent liegt. Dies ist dann der Fall, wenn die Bank einen höheren oder der Schuldner einen niedrigeren entstandenen Schaden nachweisen kann.
Übrigens: Bereits der Umstand, dass der Kredit fällig gestellt wurde, geht mit einer Meldung an die Schufa einher. Diese erfolgt nicht erst bei Vollstreckung.
Besonderheiten beim Dispokredit

Für einen Dispokredit gibt es keinen expliziten Kreditvertrag. Banken räumen den Dispo aufgrund der Bonität des Kontoinhabers und auf der Grundlage regelmäßiger Geldeingänge ein. In der Regel verzichten die Institute auch auf Sicherheiten. Vor diesem Hintergrund gelten für die Fälligstellung eines Dispositionskredites Besonderheiten.
Ein Kreditinstitut kann einen Dispo jederzeit ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein anderes Darlehen des Kunden nicht mehr ordnungsgemäß bedient wird, oder sich die wirtschaftliche Situation des Kontoinhabers so verschlechtert hat, dass ein Ausgleich des überzogenen Kontos fraglich wird.
Ein Indiz können ausbleibende oder gesunkene Gehaltseingänge sein. Dennoch sind die Banken gehalten, bei einer Kündigung auch die „wirtschaftlichen Belange“ des Kunden zu berücksichtigen. Grundlage dafür ist der Abschnitt 26 der AGB der Sparkassen und Abschnitt 19 der AGB der Banken.
Führt die Kündigung des Dispositionskredites dazu, dass eine Schuld verbleibt, ist das weitere Vorgehen die Einleitung eines Mahnverfahrens.
Notleidende Kredite in der Eurozone
Eine zu laxe Kreditvergabe stürzte die Weltwirtschaft ab 2007 in eine große Krise, viele Banken gerieten in starke Turbulenzen. Berühmte Beispiele sind die Pleite der US-amerikanischen Bank Lehman Brothers oder die Verstaatlichung des isländischen Bankensektors, nachdem die drei größten Finanzhäuser des Landes tief in die roten Zahlen rutschten.
Die isländische Wirtschaft erholte sich gut von der Krise. Auch schwer von der Wirtschaftskrise getroffene Länder wie Irland und Spanien sind auf dem Weg zurück zu alter wirtschaftlicher Stärke, was sich auch auf den jeweiligen Bankmärkten widerspiegelt.
Anders ist die Situation in Griechenland. Nicht nur, dass das Land seine Schulden nur schwer in den Griff bekommt – auch sitzen die griechischen Banken auf knapp 46 Prozent ausfallgefährdeter Kredite. Das ist einsame Spitze in Europa, wie nachfolgende Landkarte zeigt:

Ähnliche Zahlen wie The World Bank Group hat auch die Europäische Zentralbank zusammengetragen:
Land
|
Summe Kredite
|
Summe notleidender Kredite
|
Anteil notleidender Kredite
|
---|---|---|---|
Belgien | 499,03 | 12,25 | 2,45 |
Deutschland | 2.830,21 | 47,15 | 1,67 |
Irland | 243,08 | 21,09 | 8,68 |
Griechenland | 211,10 | 94,59 | 44,81 |
Spanien | 2.333,20 | 98,87 | 4,24 |
Frankreich | 4.469,84 | 132,56 | 2,97 |
Italien | 1.633,92 | 158,97 | 9,73 |
Zypern | 45,37 | 13,25 | 29,22 |
Lettland | 10,32 | 0,20 | 1,91 |
Litauen | 29,05 | 1,00 | 3,43 |
Malta | 14,06 | 0,54 | 3,81 |
Niederlande | 1.853,47 | 38,16 | 2,06 |
Österreich | 385,31 | 12,52 | 3,25 |
Portugal | 148,57 | 22,66 | 15,25 |
Slowenien | 15,05 | 1,35 | 8,99 |
Gesamt | 14.721,58 | 655,16 | 4,45 |
Quelle: Supervisory Banking Statistics (Europäische Zentralbank), Oktober 2018
In unserer Infografik nehmen wir zudem die Entwicklung vier ausgewählter Länder in den letzten drei zu betrachtenden Quartalen unter die Lupe. In allen vier Ländern – Deutschland, Griechenland, Spanien, Niederlande – wurde der Anteil notleidender Kredite bis zum Quartal II/2018 reduziert.

Griechenland zeigte allerdings bei dieser Entwicklung keinen durchweg fallenden Trend. Das Volumen notleidender Kredite sank im Land zwar Jahr für Jahr, das Gesamtvolumen aller Kredite allerdings auch. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen die Schuldenpolitik auf diese Entwicklung hat.
Abgesehen von den Niederlanden verzeichnete jedes der gezeigten Länder ein gesunkenes Volumen an notleidenden Krediten pro Quartal. Dennoch wiesen die Niederlande einen kontinuierlich sinkenden Anteil an notleidenden Krediten auf. Der Grund dafür ist die Zunahme des Gesamtkreditvolumens.
Maßnahmen in der Eurozone

Auch wenn der Anteil der notleidenden Kredite am jeweiligen Gesamtvolumen der meisten Länder zunehmend sinkt, veröffentlichte die Europäische Zentralbank (EZB) im Oktober 2017 eine Ergänzung ihres Leitfadens für Banken zu notleidenden Krediten. Der ursprüngliche Leitfaden wurde im März 2017 für Banken zum Umgang mit Non-Performing Loans durch die EZB veröffentlicht und stellt die aufsichtlichen Erwartungen und Best Practices dar. Die Umsetzung dient zugleich als grundlegende Voraussetzung für die Einführung einer gemeinsamen Einlagensicherung im Euroraum. Im Januar 2018 erklärte die oberste Bankenaufseherin der Zentralbank, Danièle Nouy, nochmals die Notwendigkeit dieser Maßnahme in einer Rede vor dem Europäischen Bankenverband EBF in Frankfurt.
Mithilfe des Maßnahmenkatalogs sollen die Bilanzen der Banken der Euroländer saniert und die Neukreditvergabe für Wirtschaft stimuliert werden. Nachfolgend werden die Ergänzungen zum Leitfaden genannt und erläutert.
Aufsichtlicher Risikovorsorge-Backstop
Der sogenannte Backstop verlangt eine ausreichende aufsichtliche Risikovorsorge für notleidende Risikopositionen (Non-Performing Exposures/ NPEs). Damit soll das Kreditausfallrisiko aus NPEs durch eine vollständige Deckung aufgefangen werden.
Mit der Aktualisierung des Leitfadens ist der unbesicherte Teil neuer NPLs bereits zwei Jahre nach deren Identifikation vollständig abzudecken. Bei besicherten notleidenden Krediten ist eine vollständige, kontinuierliche Abdeckung der gesamten Risikoposition nach sieben Jahren notwendig.
Sicherheiten für NPLs
Banken sind angehalten, Sicherheiten für neue Non-Performing Loans zu hinterlegen, doch die EZB akzeptiert nur bestimmte. Akzeptable Sicherheiten sind alle Arten von Immobiliensicherheiten (Bewertung gemäß Kapitel 7 des EZB-Leitfadens) sowie andere Sicherheiten, welche die Kriterien für die Kreditrisikominderung der CRR (Teil 3, Titel II, Kapitel 4, CRR) erfüllen.
Bisher galt: Übersteigen die genannten Sicherheiten den Kreditrahmen des Schuldners, unabhängig von der bereits getätigten Inanspruchnahme, gilt die Risikoposition im Rahmen des Risikovorsorge-Backstops als vollständig besichert. Die Einstufung Unbesichert liegt hingegen vor, wenn keine der genannten Sicherheitenarten hinterlegt ist.
Der Backstop bezieht sich auf alle Kreditfazilitäten, abgesehen von noch nicht in Anspruch genommene, jederzeit fristlos kündbare, Kreditrahmen.
Mit neuen NPLs, denen anerkennungsfähige Sicherheiten vorliegen, welche aber nicht den Wert des Kreditrahmens übersteigen, muss nun anders vorgegangen werden. Hier muss die Risikoposition in einen besicherten und einen unbesicherten Teil aufgespalten werden.
Zusätzliche Melde- und Offenlegungspflichten für EZB-beaufsichtigte Institute
Von der EZB beaufsichtigte Institute, auch systemrelevante Institute oder kurz. „SIs“ genannt, sind angehalten, mindestens einmal jährlich ihr zuständiges Aufsichtsteam (Joint Supervisory Team bzw. „JST“) über die Einhaltung des Risikovorsorge-Backstops informieren. Zur Meldung gehören:
- die Erläuterung und Begründung eventueller Abweichungen in einem so genannten „Comply-or-explain-Prozess“
- die Offenlegung der Deckungsgrade im NPL-Portfolio – sortiert nach Zeitspanne
Angaben, die vom Backstop abweichen, werden nur dann toleriert, wenn:
- die Anwendung des Risikovorsorge-Backstops für bestimmte Risikopositionen oder Portfolios nicht begründet ist.
- durch die Anwendung des Risikovorsorge-Backstops zusammen mit den Eigenmittelanforderungen für das Kreditrisiko eine Überdeckung der Risikoposition stattfinden würde.
Nach anschließenden Prüfungen durch die Joint Supervisory Teams erfolgt eine aufsichtliche Beurteilung.
Weitere Statistiken
Die Weltbank veröffentlicht jährlich Zahlen zum Prozentsatz der notleidenden Kredite am gesamten Kreditvolumen einzelner Volkswirtschaften und auch ganzer Währungsräume. Für Deutschland, die Europäische Union und die USA haben wir die Daten nachfolgend als Diagramm aufbereitet:
*geschätzter Wert für Deutschland 2017
Weiterführende Informationen
- Europäische Zentralbank – Ergänzung zum EZB – Leitfaden für Banken zu notleidenden Krediten: Aufsichtlicher Risikovorsorge -Backstop für notleidende Risikopositionen
- European Banking Authority – EBA REPORT ON THE DYNAMICS AND DRIVERS OF NONPERFORMING EXPOSURES IN THE EU BANKING SECTOR
- PWC – Ergänzung zum EZB-Leitfaden für non-performing loans (NPLs)
- Weltbank – Bank nonperforming loans to total gross loans (%)