Wohnimmobilienkreditrichtlinie
- Ziel der Wohnimmobilienkreditrichtlinie (WIKR) ist ein erhöhter Verbraucherschutz.
- Die Richtlinie trat 2016 in Kraft und erschwerte anfangs die Vergabe von Baufinanzierungen in erheblichem Maße.
- Eine Novellierung war daher notwendig, die seit 2018 gilt. Seitdem ist die Kreditvergabe weniger stark eingeschränkt.
Zur Erklärung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie muss weit zurückgeblickt werden. In den Nachwehen der Finanzkrise ab 2007/2008 hat die EU ein erhöhtes Schutzbedürfnis der Bankkunden erkannt. Das kommt allerdings nicht von ungefähr und ist nicht reinem Gutmenschentum geschuldet.
Immobilienkredite sind langfristige Verpflichtungen. Bei diesen langen Laufzeiten und hohen Beträgen sind eintretende unglückliche Umstände für Kreditnehmer schwer zu verkraften und häufig existenziell bedrohlich.
In Summe sind diese Darlehen auch für die Banken selbst nicht unkritisch. Vergeben sie die Kredite zu leichtfertig ohne die Bonität und die Wahrscheinlichkeit einer ordnungsgemäßen Rückführung der Gelder zu prüfen, drohen ihnen vermehrte Kreditausfälle.
Die Subprime-Krise in den USA entstand genau durch ein solches Fehlwirtschaften und führte im Ergebnis zu einer der größten Wirtschaftskrisen aller Zeiten. Unbedingt sehenswert ist der Film „Inside Job“, der alle großen Akteure der Krise vorstellt und die Zusammenhänge anschaulich erklärt.
Aus diesen gemachten Erfahrungen heraus verschärfte die EU die Richtlinien für die Vergabe von Immobilienkrediten. In der deutschen Sprache wurde daraus die Wohnimmobilienkreditrichtlinie, die im März 2016 in Kraft trat.
Nach der Einführung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie 2016
Nachdem die Wohnimmobilienkreditrichtlinie im Jahr 2016 eingeführt wurde, konnten Baufinanzierungen deutlich seltener vergeben werden, wie folgender Fall zeigt:
Ein junges Paar, besser verdienend, kinderlos mit einer soliden Eigenkapitalquote, kommt zur Bank, um eine Baufinanzierung für das Traumhaus abzuschließen. Auf den ersten Blick eine eindeutige Angelegenheit. Doch Beide kommen eine halbe Stunde später kopfschüttelnd aus der Bankfiliale heraus – ohne Kredit. Was war geschehen? Die Bank musste das Kreditgesuch ablehnen.
Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie setzte eine umfassende Prüfung der wirtschaftlichen und persönlichen Situation der Antragssteller voraus. Hintergrund ist, dass die Bank erkennen muss, ob es langfristig zu möglichen Liquiditätsengpässen bei den Erwerbern kommen kann, oder ob die ordnungsgemäße Rückführung gefährdet ist.
Langfristig bedeutet „im Rahmen der statistischen Lebenserwartung“. Zu den Kriterien, die in diesem Fall abgefragt wurden, zählten unter anderem
- Das Alter des Kreditnehmers
- Die Sicherheit des Arbeitsplatzes
- Die Krisensicherheit der Branche des Arbeitgebers
- Ein mögliches Scheidungsrisiko
- Eventuelle Krankheitsrisiken
- Bestehender Kinderwunsch
Genaugenommen benötigte vor diesem Hintergrund jeder Mitarbeiter einer Bank seit Einführung der Richtlinie eine Glaskugel oder Kaffeesatz auf dem Schreibtisch. Der Status „frisch verheiratet“ deutet auf erhöhtes Scheidungsrisiko hin, jung und kinderlos auf die Möglichkeit von Nachwuchs, die Zigarettenschachtel in der Hemdtasche auf ein Krebsrisiko. Ältere Menschen haben so gut wie keine Chance mehr, einen Immobilienkredit erfolgreich zu beantragen.
Außerdem waren reale Werte als Sicherheit fast bedeutungslos. Der potenzielle Wertzuwachs des zu finanzierenden Objektes und die damit verbundene sinkende Fremdkapitalquote durften nicht mehr berücksichtigt werden.
Ausbesserung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie 2018
Der Gesetzgeber hatte aber letztendlich ob der massiven Kritik von allen Seiten ein Einsehen. Die Macher der Wohnimmobilienkreditrichtlinie haben seit Einführung erkannt, dass sie ursprünglich über das Ziel hinausgeschossen sind. Zum 1. Mai 2018 trat eine Novelle der Richtlinie in Kraft, die an wesentlichen Punkten einhakt. So sind die persönlichen Gründe des Paares wie Kinderwunsch oder Rauchen keine Kriterien mehr, die in die Bonitätsprüfung einfließen.
Darüber hinaus kommt heute auch wieder der Berücksichtigung der zumindest teilweisen Entschuldung des Objektes auf der einen Seite und der Wertsteigerung auf der anderen Seite Bedeutung zu. Zusätzlich spielt der Wert der Immobilie, wie schon vor Einführung der Richtlinie im März 2016, wieder eine Rolle, insbesondere bei einer Anschlussfinanzierung Dennoch kann es immer wieder zu Zahlungsausfällen und Verschuldung kommen. Banken müssen heute dann schneller die Reisleine ziehen, sprich, das Darlehen bei Zahlungsunregelmäßigkeiten fällig stellen.
Nichtsdestotrotz ist es gerade in diesem schwierigen Umfeld wichtig, sich zu orientieren und die Rahmenbedingungen zu kennen. Sollten Sie eine Finanzierung planen, nutzen Sie unseren tagesaktuellen Vergleich der diversen Immobilienkredite.
Immobilienblase in den USA als Auslöser
Ursprung für die Wohnimmobilienkreditrichtlinie war das Platzen der Immobilienblase in den USA und die Überschuldung zahlreicher spanischer Privathaushalte. Dies in Europa zu verhindern, ist der Sinn der Richtlinie.
Aktuell boomt der deutsche Immobilienmarkt. Niedrige Zinsen auf der Darlehensseite und kaum Erträge für Einlagen sorgen dafür, dass sich mancher Mieter jetzt den Traum von den eigenen vier Wänden erfüllen könnte. Zudem hat sich das durchschnittliche Einkommen erhöht, wodurch höhere Kreditlasten gut gestemmt werden können. Wer ein Haus oder eine Wohnung kaufen will, muss heute nämlich mit einer höheren Verschuldung rechnen. Laut einer Untersuchung der Deutschen Bundesbank sind die Immobilienpreise seit 2010 um 50 Prozent gestiegen beziehungsweise um bis zu 60 Prozent in Großstädten. Die Summe all dieser Angaben lässt sich als Anzeichen für eine Immobilienblase deuten.
Mit der Einführung der Richtlinie soll diese Gefahr eingedämmt werden. Manch potenzieller Erwerber musste sich durch die Einführung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie zunächst von diesem Traum verabschieden. Der Immobilienmarkt erhielt erst einmal einen Dämpfer. Potenzielle Käufer konnten sich jedoch darüber nicht freuen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie ein Darlehen erhielten, sank rapide. Mit der Novelle von 2018 kehrte sich die Situation allerdings wieder in das Gegenteil, Finanzierungen waren wieder leichter erhältlich.
Ziele der Wohnimmobilienkreditrichtlinie
Die Ziele, welche Brüssel mit dieser Richtlinie verfolgt, sind folgende:
- Die Förderung einer nachhaltigen Kreditvergabe
- Ein hohes Verbraucherschutzniveau
- Einen transparenteren und effizienteren Binnenmarkt
Was spricht für die Richtlinie?
Theoretisch war der erste Ansatz gut gemeint, schoss aber weit über die Ziele hinaus. Ein transparenter Binnenmarkt ist sicher positiv. Das hohe Verbraucherschutzniveau wurde jedoch so hoch angelegt, dass es bei enger Auslegung zu keiner Kreditvergabe mehr kommen dürfte.
Banken prüfen schon immer die Bonität ihrer Kunden. Es gab auch vor dem Inkrafttreten der Wohnimmobilienkreditrichtlinie Ablehnungen von Finanzierungsanfragen, wenn die individuellen Umstände des Antragstellers eine Finanzierung nicht zuließen.
Banken, Immobilienerwerber und Verbraucherschützer sind sich einig: Mit der Art der Umsetzung der EU-Vorgabe hatte der deutsche Gesetzgeber übertrieben, dies aber glücklicherweise erkannt und korrigiert.
Was, wenn eine Anschlussfinanzierung ansteht?
Im Grunde handelt es sich bei einer Anschlussfinanzierung um einen neuen Vertrag, der ebenfalls der Wohnimmobilienkreditrichtlinie unterliegt. So wurde es unter Umständen schwierig, einen neuen Vertrag zu bekommen. Auf jeden Fall saß ihre bisherige Bank aber in einer deutlich verbesserten Verhandlungsposition und das wirkte sich negativ auf den künftigen Zinssatz aus. Mit der Novelle der Richtlinie zum 01.05.2018 dürfte sich aber wieder alles auf „Normal“ eingestellt haben.
Eine Alternative dazu liegt in der Fortführung des bisherigen Vertrags. Eine sogenannte Prolongation. Es wäre denkbar, dass das ein Schlupfloch ist, um den neu definierten Problemgruppen eine Weiterfinanzierung zu ermöglichen.
Gleichzeitig ist klar, dass die Kreditkonditionen dann ebenfalls unverändert bleiben. Anbetracht der Tatsache, dass die Zinsdifferenz zwischen Altverträgen und dem aktuellen Zinsniveau nicht unerheblich sind, wäre das eine sehr bittere Kröte, die die Kreditnehmer zu schlucken hätten.
Betroffene Eigenheimbesitzer sollten an dieser Stelle aber nicht verzagen. Nutzen Sie unbedingt die Möglichkeiten des offenen Marktes und vergleichen Sie Zinsen und Konditionen. Sollten Sie der Meinung sein, dass die Baufinanzierungszinsen bald wieder anziehen werden, dann hilft ein Forward-Darlehen dabei, das aktuell günstige Zinsniveau für die Zukunft zu sichern.
Der effektive Jahreszins
Der effektive Jahreszins sollte Klarheit in die Zinslandschaft bringen. Kritiker halten nach wie vor dagegen, dass die Informationen, die er liefert, nicht vollständig und Darlehenszinsen nach wie vor intransparent seien.
Hintergrund ist der Umstand, dass nicht alle Kosten, die im Zusammenhang mit der Darlehensaufnahme stehen, Berücksichtigung finden. Schließt ein Darlehensnehmer eine Restschuldversicherung ab, hat die Prämie dafür, obwohl mitfinanziert, keinen Einfluss auf den effektiven Jahreszins. Die Wahl des günstigsten Anbieters (gemäß Effektivzins) in Kombination mit der teuersten Versicherung, lässt den effektiven Jahreszins zur Makulatur werden.
Für Baufinanzierungen gilt daher ab dem 21. März 2016, dass die Banken auch die Kosten für den Eintrag einer Grundschuld im effektiven Jahreszins berücksichtigen müssen. Das fällt sicher weniger gravierend aus, als die Kosten für die Restschuldversicherung. Für die Kreditnehmer ist es bei Baufinanzierungen aber schon ein weiterer kleiner Schritt zu mehr Transparenz.
Über den nachfolgenden Rechner können Sie bequem die Zinsen der verschiedenen Anbieter vergleichen:
Baufinanzierung
Auswirkungen auf bestehende Darlehensverträge und „Widerrufsjoker“
Für einige Jahre machte das Wort vom „Widerrufsjoker“ die Runde. Darlehensnehmer konnten ihre teuren Darlehensverträge aus der Vergangenheit ohne Vorfälligkeitsentschädigung kündigen, wenn die Bank eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung nutzte. Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie hat dem jedoch einen Riegel vorgeschoben.
Hat die Bank den Kunden korrekt über seine Möglichkeit zum Widerruf des Kreditvertrages informiert, gelten für alle Darlehensverträge, die ab dem 20. März 2016 geschlossen werden, neue Regelungen beziehungsweise Fristen.
Das Widerrufsrecht endet spätestens 12 Monate und frühestens 14 Tage nach Vertragsabschluss respektive ab dem Tag, an dem der Kreditnehmer ordnungsgemäß über seine Widerrufsmöglichkeiten informiert wurde. Im Gegensatz zur bisherigen Regelung läuft die Frist auch ab, wenn die Bank es versäumte, andere Pflichtangaben zu machen.
Ab Juni 2016 gilt diese neue Frist ebenfalls für Altverträge. Das sogenannte „Ewige Widerrufsrecht“ oder „der Widerrufsjoker“ gehören damit der Vergangenheit an.
Vorzeitige Kündigung
Eine vorzeitige Kündigung eines Baudarlehens war beziehungsweise ist mit zwei Sachverhalten verknüpft:
- Der Darlehensnehmer muss eine Vorfälligkeitsentschädigung als Zinskompensation an die Bank zahlen.
- Die Bank musste der Kreditkündigung nur zustimmen, wenn es sich um einen Verkauf der Immobilie handelt.
An der Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung ändert sich bedauerlicherweise nichts. Nicht, dass den Banken das Recht auf eine Zinskompensation abgesprochen werden sollte. Es geht vielmehr um die fehlende Transparenz bei der Berechnung dieser Zahlen.
Die von den Verbraucherzentralen untersuchten Berechnungen wiesen bei vier von zehn Fällen Abweichungen von zehn Prozent und mehr zugunsten der Banken auf. Hier wäre die Bundesregierung gefordert gewesen, einen eindeutig nachvollziehbaren Berechnungsprozess, wie dies bei Konsumkrediten der Fall ist, zu fordern.
Die seit dem 21. März 2016 gültige Wohnimmobilienkreditrichtlinie bezieht sich jedoch nur auf die Kreditkündigung. Künftig müssen die Kreditinstitute auch bei anderen Gründen als Verkauf einer vorzeitigen Auflösung des Darlehens zustimmen. Leider hat der Gesetzgeber keine konkreten Gründe benannt, sondern nur ein „berechtigtes Interesse“ vorgeschrieben.
Welche Ursachen ein berechtigtes Interesse auslösen, bleibt im jeweiligen Sachverhalt einer subjektiven Würdigung der Bank überlassen. Denkbar sind Gründe wie Arbeitslosigkeit, Scheidung oder ähnliche Schicksalsschläge für den Kreditnehmer.
Vorfälligkeitsentschädigung selbst berechnen
Nutzen Sie unseren Rechner um die Höhe der für Ihren Kredit anfallenden Vorfälligkeitsentschädigung zu berechnen:
Koppelgeschäfte
Koppelgeschäfte haben bei Immobilienfinanzierungen zwar nachgelassen, kommen aber immer noch vor. Dabei handelt es sich um zwei parallele Vorgänge. Zum einen nimmt der Darlehensnehmer ein in der Regel endfälliges Darlehen auf. Bei dieser Darlehensvariante zahlt er der Bank nur die Zinsen, keine Tilgung.
Die Tilgung erfolgt am Ende der Darlehenslaufzeit durch einen parallel dazu abgeschlossenen Sparvertrag. Vor dem Wegfall des Steuerprivilegs für Lebensversicherungen waren dies häufig solche Verträge.
Heute findet diese Vorgehensweise hauptsächlich bei Zwischenfinanzierungen im Rahmen einer Bausparfinanzierung Anwendung. Die Bank darf einen solchen Sparvertrag künftig nur noch zur Bedingung machen, wenn das Ziel des Sparplans auch eindeutig im Zusammenhang mit der Besicherung des Darlehens steht. Die Praxis, eine Darlehensvergabe von weiteren Produktabschlüssen abhängig zu machen, ist damit hinfällig.
Fazit
Die Umsetzung der Richtlinie über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher stärkt den bundesrepublikanischen Bauherren nach der Novelle von 2018 den Rücken – etwas zumindest. Der große Durchbruch ist aber, berücksichtigt man vor allem die ausgebliebene Neuregelung zur Vorfälligkeitsentschädigung, in keiner Weise gelungen.
Die Einbeziehung weiterer kreditrelevanter Kosten in den effektiven Jahreszins ist zwar ein kleiner Fortschritt. Transparente und nachvollziehbare Berechnungen der Vorfälligkeitsentschädigung wären aber der große Wurf gewesen.
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Quellen und weiterführende Informationen
- Gabler Wirtschaftslexikon – Die Sub-Prime Krise
- EUR Lex – Vollständige Version der Wohnimmobilienkreditrichtlinie (PDF)
- finanzmarktwelt.de – Wohnimmobilienkreditrichtlinie: weniger Kredite, fallende Preise
- Allgemeine-Zeitung.de – Immobilien-Kredite: Wut bei den Banken und böses Erwachen für Hauskäufer